José James
"Ich dachte, solche Sänger existieren nicht mehr. Ich habe mich geirrt. José James erinnert uns daran, wieso wir Musik so sehr lieben." Wenn Gilles Peterson über jemanden solche Worte verliert, horcht die Musikszene erst einmal auf.
Wenn das Straight No Chaser-Magazin dann die selbe Person auch noch als legitimen Nachfolger von Jon Lucien mit einem Einschlag von Gil Scott-Heron handelt, könnte da sogar etwas mehr als schnöder Promosprech dahinterstecken. Plötzlich erscheint nicht einmal mehr die Kategorisierung als "neue Stimme des Jazz" zu hoch gegriffen.
Dabei wäre aus José und dem Jazz beinahe nichts geworden. Anfang der 1980er geboren, feiert er auf der High School wie viele andere seines Alters die goldene Hip Hop-Generation um A Tribe Called Quest, als er zum ersten Mal mit Duke Ellington und Louis Armstrong in Kontakt kommt.
Über Nat King Cole und Thelonious Monk bahnt sich der New Yorker seinen Weg zu John Coltrane: "Als ich 'Equinox' hörte, hat es mich umgehauen und ich fing an, Texte dazu zu schreiben. Ich muss das Stück mindestens 2000 Mal gehört haben!"
Verbunden mit seinem aufkeimenden Interesse an Dichtern der "Black Arts"-Bewegung ändert sich so seine gesamte Auffassung von Musik: "Ich liebe Hip Hop und ich liebe Soul, aber von allen amerikanischen Musikrichtungen ist Jazz für mich die tiefsinnigste und am weitesten gefächerte. Es berührt mich in einer speziellen Weise, wie es Hip Hop und Pop nicht können. Wenn Jazz richtig gemacht ist, kann er das Leben der Menschen verändern."
Dennoch kann er eine gewisse Hip Hop-Affinität nach wie vor nicht leugnen. Befragt, wen er sich in seiner absoluten Traumband vorstelle, nennt er neben Namen wie Dexter Gordon, Ben Webster und Alice Coltrane auch den Rapper Mos Def.
Besonders inspiriert von Coltrane, Billie Holiday, aber auch Marvin Gaye ist José James im Jahr 2000 einer von vielen jungen Männern, die versuchen, in der New Yorker Jazzszene Fuß zu fassen. Und, wie ebenso viele andere auch, scheitert er kläglich. Frustriert und enttäuscht hängt er das Mikrofon an den Nagel. Selbst seine damalige Freundin hört ihn erst Jahre später zum ersten Mal singen und drängt ihn dazu, noch einmal den Einstieg ins Musikgeschäft zu wagen.
Diesmal mit größerem Erfolg: An der prestigeträchtigen New School von New York, deren Reihen etwa ein Roy Hargrove entstammt, gewinnt er ein Teilstipendium. Auf seinen späteren Gönner Gilles Peterson trifft er bei der London Jazz Competition in 2006, wo er ihm eine Demo mit seiner Interpretation von "Equinox" in die Hand drückt.
Peterson zögert nicht lange und sichert sich die Unterschrift des Sängers. Im Januar 2008 erscheint auf seinem Label Brownswood Recordings José James' Debüt "The Dreamer", unter anderem mit einer Hommage an Martin Luther King ("The Dreamer") und einer Interpretation von "Park Bench People" der Hip Hop-Veteranen um Freestyle Fellowship.
Um sein zweites Album "BlackMagic" 2010 weiter an den Zeitgeist heranzuführen, arbeitet James mit Moodyman, Flying Lotus, Taylor McFerrin und Dubstep-Pionier Benga zusammen.
Noch im gleichen Jahr schlägt er gemeinsam mit Jef Neve am Klavier einen vollkommen anderen Weg ein. Für "For All We Know" spielen beide an einem einzigen Tag zeitlose Jazz-Standards ein. Zugleich arbeitet James mit Neve an dem Live-Project "Facing East: The Music Of John Coltrane".
Mit "No Beginning No End", seinem Blue Note-Records-Debüt, nähert sich James 2013 den Strukturen von Pop und Soul. Deutlich lassen sich Einflüsse von Roberta Flack, Marvin Gaye und Bill Withers heraushören. Hilfe findet er bei Emily King, Robert Glasper und Produzent und Bassist Pino Palladino.
"Ich will mich nicht auf einen bestimmten Stil festlegen müssen", erklärt José James. "Ich habe mich entschlossen, dass ich nicht mehr bloß als Jazzsänger gesehen werden will, und das hat mich richtig befreit. Nachdem ich gemerkt hatte, dass Jazzgesang einfach nur etwas ist, das ich tue, eine reine Bezeichnung, fühlte ich mich als Künstler frei und konnte Stücke ohne irgendwelche Limitierungen schreiben."
© Laut
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