Jason Isbell
Bleibt einem Menschen, der sich im Herzen Alabamas mit weitreichender Melancholie herumschlägt, eigentlich eine andere Option, als County-Songwriter zu werden? Vermutlich – ja. Dennoch scheint diese Option zumindest für einen gewissen Jason Isbell die vernünftigste gewesen zu sein, denn seit Anfang der 2000er trägt Jason als eine Konstante der Folk- und Countryszene weltschmerziges Songwriting in einen einzigartigen Katalog. Prämiert wurde er mit einer langlebigen Karriere und einer passionierten Fanbase.
Begonnen hat alles in der Kleinstadt Green Hill, wo Isbell im familiären Rahmen aufwächst, zur Schule geht und schon früh Begeisterung für Musik findet. Zwar tun sich dem jungen Amerikaner verschiedene Lebenswege auf – sodass er zunächst für ein Studium in Englisch und kreativem Schreiben an die Universität geht – einen Abschluss erlangt er allerdings nie. Zu viele Gedanken kreisen in seinem Kopf, die Trennung seiner Eltern, persönliche Krisen und nicht zuletzt auch Sucht und Depression.
Er beginnt an diesem Punkt, endgültig auf eine langlebige Leidenschaft zu setzen: Das Songwriting. Nachdem er schon zu Jugendtagen exzessiven Kontakt zu Session-Musikern und Bands gepflegt hatten, die ihm musikalische Sozialisation und eine gewisse Mentorenschaft anboten, wurde Isbell 2001 Teil der Drive-By Truckers, einer Country-Band, in der er neben musikalischen Beiträgen auch für zahlreiche Lyrics und Kompositionen Pate stehen durfte. Er heiratete eine Bandkollegin, trennte sich und endete am Anfang: 2007 verlässt er die Drive-By Truckers, am folgenden Tag gibt die gesamte Band ihre Auflösung bekannt.
Von dort an widmet er sich voll seiner Solokarriere: Sein erstes Album "Sirens of the Ditch" erscheint noch im selben Jahr und verarbeitet die vergangenen Ereignisse, die Resonanz darauf fällt durchaus positiv aus. 2012 geht Isbell mit Ryan Adams auf Tour, wo die beiden jeweils akustische Sets präsentieren. 2015 erscheint "Something More Than Free", in den Augen vieler Kritiker sein bisher bestes Werk.
Im Aufwind des sich einstellenden Erfolges ruft er das Projekt Jason Isbell and the 400 Unit ins Leben, eine Band, die den Namen einer psychiatrischen Anstalt in Florida trägt. Mit dieser Formation entsteht das 2017 erscheinende Album "The Nashville Sound". Außerdem verheiratet sich Isbell mit Songwriterin und Violinisten Amanda Shimes, die ebenfalls einen Teil des 400 Units darstellt.
Ob Isbell nun über seine persönlichen Dämonen und Ängste hinweggekommen ist, davon zeugt die Musik nicht. Sein Werk bleibt melancholisch, sanft und einfühlsam und hat keine Schwierigkeiten damit, menschliche Schwäche offenzulegen und persönliche Details zu verarbeiten. Und vielleicht ist es das, was den Jungen aus Alabama so nachvollziehbar macht: Fernab von Bro-Country und gängigen Klischees bleibt auch der Sound der amerikanischen Mitte bei ihm selten nahbar und zugänglich, egal, in welchem Genre man selbst beheimatet sein mag.
© Laut
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