Exile
Die unendliche Mainstream/Underground-Diskussion ist zu lang für jede Goldkette, zu schwer für jeden Jansport-Backpack. Auf den grünen Zweig werden Fans beider Stilrichtungen des Hip Hops nicht kommen - zu weit klafft das Tal zwischen tanzbarer Massenkompatibilität und kredibler Anti-Haltung. Doch ab und an gibt es dann die Gegenbeispiele, die beide Welten zusammenführen. Eines davon ist der Produzent und DJ Aleksander Manfredi, der seit über einer Dekade unter dem Namen Exile die Liste seiner Produktionscredits mit Künstlern wie 50 Cent, Mobb Deep, Ghostface Killah, Blu, Slum Village, Kardinal Offishal, Jurassic 5 oder Aloe Blacc füllt.
Aufgewachsen in der Peripherie Los Angeles' beginnt die musikalische Sozialisation jedoch ganz abseits von G-Funk und kalifornischen Surfer-Sounds. Die Manfredi-Familie ist musikalisch zwischen Sechziger-Soul, Mariachi und italienischen Chansons aktiv. Der kleine Aleksander bekommt früh ein Akkordeon umgeschnallt, tauscht dieses aber bald in Boombox und Plattenspieler vom Sperrmüll. Die Familie ist arm, deswegen muss Exile mit der Technik improvisieren. Ein Umstand, der sich viel später immer wieder in seiner Musik reflektiert.
Vor der Zeit von digitaler Plug-Ins und Final Scratch nimmt Exile seine Beats zu High School-Zeiten auf Tapes auf und erweckt damit das Interesse des zwei Jahre jüngeren Rappers und Sängers Aloe Blacc. Gemeinsam mit dem Immigrant aus Panama gründet Exile das Duo Emanon. Auch im Team sind die Möglichkeiten zwar noch begrenzt, aber der musikalische Horizont noch weiter. Mit Exiles Boombap und Soul-Samples in Verbindung mit Aloes lateinamerikanisch-beeinflusstem Gesang und erdigen Raps unterstreicht das deren EP "Anon And On". Den Indie-Rap-Freunden gefällt die Mischung: Das darauffolgende Debütalbum "The Waiting Room" avanciert 2004 zum Überraschungserfolg in der Szene und beschert Exile einen Solo-Deal bei dem Indielabel Sound In Color. Aloe Blacc findet hingegen bei Stones Throw ein Zuhause und wird dort als Indie-Äquivalent zu John Legend gefeiert.
Doch Exile will sich in dieser Nische nicht das Hinterteil warm sitzen. Er versucht sich immer wieder selbst am Mikrofon, außerdem zeugt sein Solodebüt "Dirty Science" von seinem musikalischen Drang, sich Genre-intern nicht eingrenzen zu lassen. Die Gäste sprechen für sich: Ghostface Killah folgt auf Oh No, Slum Village auf Ca$hius King. Nebenbei lässt Exile verlauten, dass 50 Cent höchstpersönlich den Beat-Katalog angefordert hat. Kurz darauf darf der Produzent beim Beat für Mobb Deeps "Pearly Gate" auf deren G-Unit-Debüt "Blood Money" Hand anlegen. Produktionen für Akon und Snoop Dogg folgen.
Für weitaus mehr Furore unter den Rucksack-tragenden Hip Hop-Fans sorgt ein neues Kollaborationsprojekt mit dem zum Tatzeitpunkt gerade neunzehnjährigen Rapper Blu. Im Team veröffentlicht das Duo 2007 das Album "Below The Heavens" und erschafft eines der beliebtesten Alben des Jahres - ganz ohne Vorwarnung. Der kalifornische Jung-Rapper Blu tauchte zwar bereits auf "Dirty Science" auf, war aber bis dato kaum in Erscheinung getreten. Auf Exile-Beats kann er jedoch sein Talent zeigen und bringt so auch Exile wieder auf die Karte des Indie-Raps.
Tatsächlich geht die Arbeit des Produzenten bei allem Lob für den Rap-Newcomer ein wenig unter. Exile packt die Chance am Schopf und vergräbt sich in der kalifornischen Heimat für sein neues Projekt "Radio". Dort nimmt er einen kompletten Longplayer auf, der ausschließlich aus Samples aus dem lokalen Radio besteht. Drums, Harmonien und Vocals - Exile recordet jedes einzelne Stück und jagt es durch die Kompressoren und seine MPC. Weiter könnte dieses musikalische Fricklerwerk nicht von der schillernden Popwelt von Platin-Künstlern wie Akon und 50 Cent entfernt sein. Ein fülliger, weißer Produzent aus Kalifornien mit Akkordeon-Kenntnissen und Indie-Rap-Fame macht's möglich.
© Laut
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